Donnerstag, 15. Mai 2014

Tansania 2003: Fünf Tage auf der Straße

Nach fünf Tagen und 1.235 Kilometern haben wir unser Ziel erreicht. Völlig durchgeschwitzt, alle Poren gefüllt mit Staub, durstig und müde kommen wir in Musoma an. Der Blick auf den Viktoriasee lässt die anstrengende Fahrt jedoch vergessen.


In der Massaisteppe.
Aber der Reihe nach: Bevor wir Arusha verlassen können, müssen wir noch zur Nationalparkverwaltung. Die Parks dürfen nur von Fahrzeugen mit einem Gewicht von bis zu 10 Tonnen durchfahren werden. Wir brauchen mit unseren 11 Tonnen eine Sondergenehmigung. Der Nationalparkdirektor James Lembeli unterschreibt sie selbst, als er vom Grund unserer Reise erfährt.

Hinter Arusha beginnt die weite Massaisteppe. Trockenes Gras und trockene Sträucher soweit man schauen kann. Erst bei Mtu wa Mbu ändert sich die Landschaft. Links der Straße liegt der bewaldete Lake Mayara Nationalpark - berühmt für die Löwen die dort auf Bäumen klettern. Begrenzt wird der Park durch den Großen Afrikanischen Grabenbruch, der sich wie eine riesige Wand hinter Park und Ortschaft erhebt. In langen Serpentinen klettert unser LKW hinauf. Der Ausblick auf den Lake Manyara ist atemberaubend schön.


Oben angekommen hat sich die ganze Landschaft verändert. Rund um Karatu sieht das Land für eine Weile so aus, wie ich mir die Toskana vorstelle. Hier sehe ich das erste Mal große Getreidefelder, gesäumt von hohen Zypressen. Die Straße wird dafür bedeutend schlechter. Staub statt Asphalt und viele Schlaglöcher machen die Fahrt zur Tortur. Für 78 Kilometer brauchen wir über 5 Stunden. Für unseren allradbetriebenen Bedford jedoch kein Problem.

Wir übernachten auf dem halben Weg zum Ngorongoro-Krater, auf einer Kaffeefarm der Ordenskongregation der Mary-Sisters. Hier gibt es keinen Strom und kein fließendes Wasser. Das einzige Licht ist eine kleine Flamme im Esszimmer, die mit Biogas betrieben wird. Als wir zur Hütte gehen in der wir schlafen, ist es so finster wie noch nie in meinem Leben. Wir stehen noch lange draußen in der kühlen Hochlandluft und schauen in den unglaublichen Sternenhimmel. Ich fühle mich ganz klein. Nirgends sieht man ein Licht, das Land ist dunkel und geheimnisvoll. Es ist der 18. August, morgen hat mein Vater Geburtstag.

Am nächsten Tag machen wir uns in aller Frühe auf den Weg. Die Ordensfrauen versorgen uns für die Reise mit Kartoffelchips, Brot und einem eigens für uns geschlachteten Huhn. Kalter Nebel steigt aus den Wäldern, als wir die Straße hinauf zum Ngorongoro-Krater nehmen. Das erste Mal muss ich in Afrika eine Jacke anziehen. Schaut man den bewaldeten Hang hinunter, kann man das Wild in den Lichtungen stehen sehen. Elefanten und Gazellen.

Am Kraterrand angekommen, machten wir noch einen kurzen Stopp in der Pfarre des amerikanischen Spiritanerpaters Joe Herzstein. Ein alter Bekannter meines Vaters, der hier unter den Massai lebt. Die Massai dürfen als einzige auch innerhalb des Nationalparks leben und ziehen mit ihren Rinderherden bis hinunter in den Krater.

Erst am Nachmittag erreichten wir das Tor zur Serengeti. Während Dismas und mein Vater die Formalitäten regeln, erkunde ich die Kopjes - kleine Granitfelsen, die aus der Steppe aufragen und vielen Kleintieren Unterschlupf bieten. Auf der Fahrt zur Seronera-Lodge, in der wir die Nacht verbringen wollen, wird es wieder atemberaubend. Löwinnen laufen vor uns auf der Piste. Als wir halten umkreisen sie den Wagen. Wir klettern durch die Luke und schauen vom Dach aus zu. Hyänen, Wildhunde, unzählige Gazellen und sogar seltene Geparden sehen wir auch.


Am Hippopool.
Angekommen in der Lodge, die mitten im Nationalpark liegt, feiern wir mit eiskaltem Safari-Lager-Bier ein wenig Geburtstag. Auf der Terrasse hören wir dabei die Löwen in der Dunkelheit brüllen. Ganz anders als man es sich vorstellt – ganz anderes als der Metro-Goldwyn-Mayer-Löwe – tief, halb grunzend, aber bis ins Mark gehend. Auf die Nacht in der Lodge freue ich mich, denn dank der Klimaanlage gibt es keine Moskitos.

Während wir uns fertig machen, klopft Dismas, der das Zimmer neben uns bezogen hat, aufgeregt an unsere Türe. Nur mit einem Handtuch bekleidet - er war gerade duschen - will er uns einen besonderen Besucher zeigen: Vor unserem Fenster grast ein Nilpferd. Nach der Begeisterung kommt die Ernüchterung. Die Zimmertür unseres Begleiters ist ins Schloss gefallen, der Schlüssel drinnen. Wir müssen zur Verwaltung der Lodge. Außen rum. Die Freude über das Nilpferd lässt dadurch deutlich nach. Auch der Direktor der Lodge ist unruhig als er vom Nilpferd hört. Dazu kommt: Auch andere Tiere kommen nachts wegen des saftigen Rasens zur Lodge. Zäune gibt es keine. Zurück zum Zimmer begleitet uns ein Ranger. Nicht nur mit dem Schlüssel, sondern auch mit einem Gewehr.

Ich werde am nächsten Morgen früh wach, denn Affen laufen über unser Dach. Vorm Fenster grasen Gazellen. Afrika. Nach fünf weiteren Fahrstunden und 130 Kilometern verlassen wir die Serengeti. Zwei Stunden noch bis Musoma, wo uns Bischof Justin Samba bereits erwartet. Nach fünf Tagen auf der Straße ist der erste LKW am Ziel.


Alle Artikel über meine Zeit in Tansania gibt es hier.


tl;dr: Bei unserer Reise durch Tansania habe ich zum ersten Mal Löwen brüllen gehört.