Mittwoch, 23. März 2016

Widerlich, unangebracht und falsch

Vera Lengsfeld: Versehentlich gepostet?
Die Terroranschläge von Brüssel waren noch keine sechs Stunden her, die Opferzahl noch nicht bekannt, geschweige denn die Täter identifiziert, da hatten sich die Lengsfelds und Storchs dieser Republik bereits dazu herabgelassen, ihre Weltsicht mit den Nachrichten zu vermengen. Dass sie dabei nicht alleine sind, zeigt der Hashtag #stopislam, der bei Twitter trendet. Dabei ist diese digitale Leichenfledderei nicht nur widerlich und unangebracht, sondern vor allem falsch.

Natürlich haben die heutigen Terroranschläge mit dem Islam zu tun, aber er ist nicht ihre Wurzel. Natürlich waren es auch diesmal radikale Muslime, die für diese Verbrechen verantwortlich sind. Aber genauso richtig ist es, dass diese Gewalttaten ebensowenig dem Geist des Islam entsprechen, wie die Kreuzzüge dem des Christentums. Schließlich übersteigt die Anzahl friedlicher Muslime die der Terroristen um etwa 1,6 Milliarden Menschen.

Also: Wer postuliert das Aussprechen der Wahrheit sei Startpunkt seiner Politik, darf nun nicht in halben Sätzen verharren. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Terrortaten - sofern wir bisher über sie Bescheid wissen - eben keineswegs von Flüchtlingen begangen wurden, sondern von Menschen, die schon lange unter uns leben. Von Menschen, die oftmals keine Ausländer sind, sondern unsere Mitbürger, Franzosen und Belgier.

Wenn wir diesen Terror bekämpfen wollen, müssen wir verstehen, dass diese Täter mitten in unserer Gesellschaft heranwachsen. Das Problem, dem wir in den Banlieues und Vororten wie Molenbeeck gegenüberstehen, ist nicht alleine die vielbeschworene Perspektivlosigkeit afrikanisch- und arabischstämmiger Jugendlicher. 

Es ist auch ein Klima der Gleichgültigkeit, das dort Einzug gehalten hat. Wenn sich junge Muslime radikalisieren, schauen in diesen Communities zu viele Leute weg. Menschen, die sich nicht verantwortlich fühlen, weil sie glauben, kein vollwertiger Teil unserer Gesellschaft zu sein.

Das Perfide am islamischen Terror ist, dass er uns weiter auseinander bringt. Aber genau so öffnen wir die Kluft weiter, aus der sich die Gleichgültigkeit speist. Nur wenn wir ein Klima schaffen, in dem wir uns ohne Angst als gemeinsame Glieder unserer Staaten sehen, können wir den Terror überwinden. Die Postings und Tweets, die heute vielfach abgesetzt wurden, bewirken leider das Gegenteil.

tl;dr: Die digitale Leichenfledderei, die die Anschläge in Brüssel politisch nutzen will, ist nicht nur widerlich und unangebracht, sondern vor allem falsch. Unsere Sicherheit entscheidet sich nicht auf den Flüchtlingsbooten im Mittelmeer, sondern in den Vierteln unserer Städte, die die Gesellschaft aufgegeben hat.