Dienstag, 2. Februar 2016

Mein Unwort des Jahres: Kugelahorn

Würde in Willich ein Unwort des Jahres gewählt, dann hieße es wohl Kugelahorn. Dem Thema in unserer Stadt zu entgehen ist quasi unmöglich. Alleine bei Google findet man schon 1.140 Einträge. Nun dreht sich auch der erste Bürgerentscheid der Willicher Stadtgeschichte - sehr erhaben - um die 20 Bäume.

Dass es bei der aktuellen Auseinandersetzung aber tatsächlich noch um die Bepflanzung des Marktplatzes geht, mag man kaum mehr glauben. Zu sehr haben die beiden Lager zuletzt den Eindruck erweckt, dass jeder Kompromiss ausgeschlossen ist. Und dabei meine ich nicht nur die Ahornfreunde, die nicht nur eine völlig undiskutable Wortwahl in die Auseinandersetzung gebracht haben, sondern lieber einen 90.000 Euro teuren Bürgerentscheid anstrengen, statt die Bäume für insgesamt 30.000 Euro umzupflanzen. Dabei kann man sich ja wirklich viele Orte vorstellen, die besser für einen Baum geeignet sind als eine schattige Ecke des Willicher Marktes.

Mich erschreckt aber auch die Strategie des Dreierbündnisses aus CDU, SPD und FDP. Gerade einige CDUler haben von Anfang an, besonders im Internet, auf eine Eskalation hingearbeitet.  Dabei entscheidet sich an den 20 Bäumen nicht das Schicksal der Marktplatzumgestaltung oder gar unserer Stadt. Früher versuchten die Parteien - die CDU vorneweg - in Bürgerinitiativen mitzumischen, um Themen abzuarbeiten, jetzt geht es gleich in den Schützengraben. Dem Klima in unserer Stadt tut diese Form der Kompromisslosigkeit – übrigens im letzten Wahlkampf von der Union zu Recht bemängelt – nicht gut.

Zudem ist sie meines Erachtens auch taktisch falsch: Einen Bürgerentscheid, insbesondere zu einem so nebensächlichen Thema, gewinnt man in aller Regel durch Nichtbeachtung. Durch ihre permanente Kampagne mobilisieren die drei Parteien jedoch auch die Befürworter des Status Quo. Ein Beispiel: Trotz großer Gegenmobilisierung sammelten die Ahornfreunde im vergangenen Herbst 3.777 gültige Unterschriften. Bei einem Anliegen, das nicht nur die Mehrheit, sondern auch mindestens 15% der abgegebenen Stimmen - in Willich circa 6.300 - für sich gewinnen muss, ist das schon Mal eine Hausnummer. Zur Erinnerung: Es geht um 20 Bäume.

Bevor Missverständnisse aufgekommen: Auch wenn ich glaube, dass der Sieg des Dreierbündnisses alles andere als sicher ist - ginge es nach mir, wären die Bäume bereits Geschichte. Aber eins ist auch klar: Solch unnötige Bürgerbegehren sollten wir uns künftig sparen.

Stattdessen sollten wir einmal über folgende Fragen nachdenken: Was sagt das eigentlich aus über die Bürgerbeteiligung bei der Marktplatzgestaltung, wenn das Thema der Kugelahorne dort nicht abgeräumt werden konnte? Engagieren sich Menschen, die sich vorher nicht politisch artikuliert haben, eigentlich wirklich in einer Bürgerinitiative? Oder ersetzt diese Form der Politik die Parteien (die zumindest den Anspruch haben einen Bevölkerungsdurchschnitt zu repräsentieren) nur durch kleine, laute aber homogene Interessengruppen? Und ist die Bürgerbeteiligung in dieser Form nicht letztlich eine Illusion, die die meisten Bürger ratlos zurücklässt?

tl;dr: In Willich gibt es einen Bürgerentscheid über 20 Kugelahorne. Um die Bäume geht es dabei längst nicht mehr.