Dienstag, 3. Juni 2014

Tansania 2003: Sieben kurze Geschichten

Verunglückter Lastwagen in Tansania.
Nicht alle Erlebnisse unserer dreiwöchigen Reise durch Tansania haben ihren Weg in diesen Blog gefunden. Sieben der Geschichten möchte ich trotzdem noch erzählen:

Ab und zu werde ich gefragt, was ich in Tansania am meisten vermisst habe. Die Antwort fällt mir leicht: Kalte Milch. Damals mein liebster Start in den Tag. Aber in Tansania kaum zu bekommen. Der Grund: Aus hygienischen Gründen muss die Milch vor dem Verzehr abgekocht werden. Also ist sie eigentlich immer warm. Nur wenige Getränke kann man unbesorgt kalt trinken. Darunter Kokosmilch und Softgetränke. Trotz aller Armut: An Coca Cola und Pepsi mangelt es nirgends. In Tansania hat Coke sogar eine eigene lokale Marke: Tangawizi. Eine fantastisch leckere Ingwerlimonade.

In weiten Teilen von Tansania gibt es kein Entsorgungssystem. Wenn Müll anfällt wird er auf die Straße geworfen. Liegt genug herum, kehrt man ihn zusammen und zündet ihn an. Oft sieht man dann Menschengruppen im schweren schwarzen Rauch um diese Feuer stehen. Wir hingegen haben unseren Müll - wie gute Europäer das nun mal machen - in einer Tüte im Lastwagen gesammelt. Womit wir nicht rechnen: Als die Tüte voll ist, schnappt sich unser Begleiter Dismas den Beutel und wirft ihn im hohen Bogen aus dem Fenster. „Liegt ja eh alles voll“ erklärt er uns, als er unsere erschrockenen Gesichter sieht.

Bei anderen Gelegenheiten war Dismas für uns Gold wert. So an der ersten Weighbridge, die wir mit unserem Lastwagen erreichten. Nachdem wir auf der Waage standen, klettert jemand an unserem Führerhaus hoch. Er hat unsere offizielle Wiegequittung und erklärt uns, dass wir für ein angebliches Übergewicht des LKW zahlen müssten. Er sei Angestellter der Wiegestelle. Nur: Der Mann ist ein Betrüger. Er hat sich an der Kontrollstelle als Fahrer ausgegeben um die absolut korrekte Bescheinigung zu erhalten. Nun will er bei uns kassieren. Gut, dass wir jemanden dabei haben der Kisuaheli spricht.

Es bleibt nicht das einzige Mal, dass Dismas unser Geld rettet. Aufgrund des großen Zeitverlustes durch den Zoll, entscheiden wir uns in der Serengeti nicht die vorgesehene Transitstrecke, sondern eine Seitenstraße zu einer alternativen Ausfahrt zu nehmen. Wir wissen: An diesem Tor des Nationalparks müssen wir deshalb wahrscheinlich Gebühren zahlen - es ist es uns wert. Trotzdem versuchen wir mit den beiden Rangern die uns dort völlig zu Recht anhalten zu verhandeln. Versuchen kann man es ja. Während wir reden, sucht Dismas im Wagen verzweifelt nach einem Papier. Als er es gefunden hat öffnet sich der Schlagbaum ganz ohne Gebühren. Es ist das Empfehlungsschreiben des Polizeipräsidenten von Daressalam.

Auch auf staubigen Pisten in Afrika gibt es Geschwindigkeitskontrollen. Die dazu nötigen mobilen Geräte hat Tansania aus Altbeständen der DDR erworben. Einmal erwischt es auch uns. Mitten im Nirgendwo treten auf einmal zwei weißgekleidete Verkehrspolizisten aus einem Busch auf die Fahrbahn. In der Hand eine Radarpistole. Zunächst zeigen sie uns an, dass wir stoppen sollen. Als wir näher kommen winken sie uns durch. Das wundert uns, denn wir waren zu schnell. Dismas versucht es uns so zu erklären: Die beiden hätten gesehen, dass wir Weiße sind – und sprächen wahrscheinlich kein Englisch.

Sowieso: Die Polizei ist anders in Tansania. Wie der ganze Straßenverkehr. Gegen 19 Uhr wird es dunkel, aber die Leute gehen natürlich nicht nach Hause. Sie bleiben auf der stockfinsteren Straße. Da es keine Straßenbeleuchtung gibt, aber flinke Fußgänger und jede Menge tiefe Schlaglöcher, muss man als Autofahrer aufpassen. Dazu kommt: Fast alle anderen Autos fahren permanent mit Fernlicht. Sofern sie Licht haben. Unglaublich wie viele Autos und Lastwagen einem in dunkelster Nacht ohne Licht begegnen. Erwischt die Polizei einen von diesen Wagen, muss der Fahrer Strafe zahlen. Aber: Danach darf er weiterfahren. Anderswo gibt es ja auch noch Polizisten, die etwas verdienen müssen, erklärt uns Pater Evodi.

Wahrscheinlich gilt aus genau diesem Grund der Straßenverkehr als Todesursache Nummer 1 unter Touristen. Anders als auf Malaria und Schlangenbisse bereitet einen darauf keiner vor. Auch wir haben jede Menge Unfallstellen passiert. Oft verunglückte Lastwagen. Besonders im Gedächtnis ist mir eine Stelle auf der Straße von Daressalam nach Morogoro geblieben. Mit chinesischer Entwicklungshilfe und Arbeitskraft wurden auf dieser Strecke zahlreiche neue Brücken gebaut. Das Baumaterial ist dabei einfach: Die Gerüste und Absperrungen sind aus Holz. Die Straße wird währenddessen durch das ausgetrocknete Flussbett umgeleitet. Bei unserer ersten Fahrt steckt ein LKW fast senkrecht in einem der Gerüste. Das Führerhaus liegt völlig platt unter dem Container im Bachbett. Bei unserer zweiten Passage wird mit großem Aufwand und einem Kranwagen versucht den LKW zu bergen. Beim dritten Mal stellen wir fest, dass der Kran bei diesem Versuch ebenfalls in die Baustelle gestürzt ist. Beim vierten Mal ist noch ein zweiter Lastwagen verunglückt: Er ist bei der Fahrt durch die Umleitung ins Flussbett gekippt. Falls jemand in nächster Zeit von Daressalam nach Morogoro fährt: Ob die Brücke heute steht interessiert mich wirklich!

Alle Artikel über meine Zeit in Tansania gibt es hier.


tl;dr: Sieben kurze Geschichten über meine Zeit in Tansania, die es bisher nicht in den Blog geschafft haben.